Mittwoch, 18. April 2012

Die wilden 90er

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Der Grossstudie „ Children of the 90’s“ hat Nature einen ausführlichen Artikel gewidmet. Ein erstaunliches Projekt aus Bristol: Seit über 20 Jahren werden 14.000 Kinder in ihrer Entwicklung verfolgt nachdem ausführliche Information über die Eltern, die Schwangerschaft und die Geburt gesammelt wurde. Auch eine Gewebedatenbank wurde angelegt. Es ist die wohl ausführlichste solcher in der Medizin verbreiteten „Cohort studies“. Manche wie zum Beispiel die National Child Development Studies verfolgt 17.000 Bürger aus Großbritannien seit über 50 Jahren! Die Studie mit der größten Teilnehmerzahl (100 000!) wird in Norwegen durchgeführt.
Der wissenschaftliche Wert dieser Studie ist heutzutage klar: die Auswertung genetischer, epigenetischer Daten und der Information über die Lebensbedingungen können uns helfen das Zusammenwirken von Genen, Umwelt und Entwicklung und somit auch die Entwicklungen von Krankheiten zu verstehen.

Die Problematik solcher großen Langzeitstudien wird in dem Artikel jedoch auch besprochen.
Einerseits handelt es sich trotzallem um korrelative Daten. Das heißt zum Beispiel, dass man zwar weiß, wer als Kind Fisch isst wird auch diese oder jene Krankheit entwickeln, aber was die Ursache ist, kann man nicht bestimmen (auch wenn es wohl wahrscheinlicher ist, dass man vom Fisch essen krank wird als andersherum). Es ist wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei.

Bei genetischen Informationen verhält es sich natürlich anders: Die Gene sind ja seit der Geburt vorhanden und somit ist die Ursache hier klar. Wenn der Mensch mit dieser oder jenen Kopie eines bestimmten Genes mehr Fisch isst, als alle anderen, hat es wahrscheinlich etwas mit diesem Gen zu tun. Aber natürlich nur, wenn alle anderen Lebensbedingungen sich nicht unterscheiden. Es bleibt also recht kompliziert trotz Massen an Informationen.
Die andere Besonderheit dieser Art von Studie ist, dass eine außergewöhnliche Herangehensweise gewählt wird, die in den Naturwissenschaften eigentlich verpönt ist.
Nach dem Motto: „So lass uns mal Massen an Daten über das Thema sammeln und nachher gucken wir mal was wir draus machen“. Also hypothesenfreies Herumforschen. Oder auch "entdeckungsorientiertes Forschen", wenn man es nett ausdrücken will.

Es wird als Gegenteil des geplanten und kontrollierten Experiments gesehen, in dem man anhand einer Hypothese eine Vorhersage trifft, die dann erfüllt wird. Falls nicht, muss man eine neue Hypothese entwickeln.
Ich kann mir jedoch vorstellen, dass die hier gewählte Herangehensweise mit den heutigen Computerprogrammen und Speicherkapazitäten viele neue Erkenntnisse bringen kann, da man so viel Information nach Zusammenhängen durchforsten kann. Ist es also falsch, in der heutigen Zeit, die hypothesenbasierte Wissenschaft als fortschrittlicher anzusehen?

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